Es gibt Orte, die lassen einen nicht mehr los. Sie brauchen keine Superlative, um zu überzeugen. Die Insel Lesbos (Lesvos) ist ein solcher Ort. Wegen der umständlichen Anreise per Fähre oder Flugzeug ist die Insel nicht touristisch überlaufen. Im Vergleich zu anderen Mittelmeerinseln wirkt Lesbos verschlafen. Leere Strände, beschauliches Inselleben und atemberaubende Landschaften bieten ursprüngliches Griechenland für Individualisten. So wird die Ouzostadt Plomari im Süden der Insel während der Urlaubssaison weniger von internationalen Touristen (hauptsächlich Skandinavier) sondern eher von Griechen vom Festland oder anderen Inseln besucht. Zur Zeit des Ouzofestivals Anfang August werden diverse Tanzdarbietungen und Konzerte auf dem zentralen Platz am Hafen angeboten, während an den Ständen der drei großen Ouzodestillerien (Ouzo Plomari Isidoros Arvanitis, Ouzo Giannatsi und Ouzo Barbayiannis), aber auch vor jeder Taverne die verschiedenen Ouzosorten ausgeschenkt werden. Aber selbst am Festivalwochenende geht es hier vergleichsweise ruhig zu, wogegen die im Norden gelegene Touristenhochburg Molivos (auch Mithimna genannt) im Ausland bekannter zu sein scheint.
Dies verwundert nicht, denn Molivos gilt als der schönste Ort von Lesvos, vielleicht sogar als der schönste Fischerort der griechischen Inselwelt. Dieses malerische kleine Städtchen, das neben Monemvasia auf der Peloponnes eines der schönsten Beispiele für das mittelalterliche Griechenland ist, wird nicht durch Neubauten verschandelt, da es seit den Fünfzigerjahren unter Denkmalschutz steht. Überragt wird Molivos von der wuchtigen Burg (Kastro), zu der man über enge Gassen aufsteigen kann. Schon von weitem sieht man die beeindruckende Burganlage und darunter den idyllischen Hafen. Ein Traum, wie gemalt.
Vom Hafen führen enge, kopfsteingepflasterte Gassen in den Ort hinauf. Dort findet man außer zahlreichen türkischen Brunnen aus rotem Trachit lauschige Cafes und Tavernen und diverse Einkaufsmöglichkeiten unter einem Dach aus rankenden Pflanzen. Wegen dieser angenehm beschatteten Gassen, aber auch wegen der traditionellen Bauweise der Häuser mit ihren Erkern und bunt bemalten Holzbalkonen ist Molivos (Molyvos) der am meisten von Touristen besuchte Ort von Lesvos. Wer den Rummel im Sommer scheut, wird in der Vor- oder Nachsaison, wenn die Gäste weniger und die Gassen leerer werden, dieses reizvolle Städtchen besuchen. Das angenehme, wohltuende Klima im Herbst (oder auch im Frühjahr) lädt geradezu ein, die Vielfalt der Flora und Fauna in der Umgebung von Molivos zu entdecken und sich von den vielen Eindrücken auf den Wanderungen faszinieren zu lassen.
Wegen der Größe der Insel - Lesvos ist nach Kreta und Euböa die drittgrößte griechische Insel und zugleich eine der unbekanntesten und schönsten Griechenlands - ist es sinnvoll, seinen Aufenthalt in zwei Abschnitte (Nord/Süd) aufzuteilen oder - besser noch - Lesvos öfter zu besuchen. In den Sommermonaten ist ein Urlaub in Plomari ein Highlight, während sich für den im Norden gelegenen Touristenort Molivos eher der ruhige Oktober anbietet.
Lesvos ist als die Insel mit den meisten Sonnentagen bekannt ("Insel des Lichtes"). Selbst im Oktober lädt das Wasser mit seinen milden Temperaturen zum Baden ein. Da der Strand in Molivos weniger attraktiv ist, bezieht man besser ein Quartier am schönen Sandstrand von Petra (6 km) oder von Anaxos (9 km). Überlaufene Strände wie auf Mallorca oder an der italienischen Adria muss man hier nicht befürchten.
Entlang des langen Sandstrandes von Petra befinden sich zahlreiche Hotels, Pensionen, Restaurants, Cafes und Mini-Märkte. Wegen seines lebhaften Hauptplatzes, der “Platia”, und wegen der für abendliche Spaziergänge sehr beliebten Uferpromenade ist Petra ein ideales Ziel für Badegäste.
Seinen Namen hat der Ort durch den mitten im Ort aufragenden Felsen mit der Kirche “Panagia Glykofilousa” erhalten. Diese Kirche erreicht man durch eine steile Treppe, welche direkt aus dem Felsen gehauen wurde. Der Aufstieg lohnt sich: Von hier oben hat man einen fantastischen Blick über die malerischen Gassen mit den alten, sehr gut erhaltenen Herrenhäusern und das angrenzende Hinterland.
Anaxos liegt 3 km westlich von Petra. Es hat einen Sandstrand mit vielen Ferienhäusern und Tavernen in der Nähe. Vom Strand aus kann man den Ort Molivos sehen. Anaxos ist einer der beliebtesten Sommerstrände der Insel und zieht durch seine landschaftliche Schönheit jedes Jahr hauptsächlich im Sommer viele Touristen an.
Im Herbst kann man dagegen an den Sonnentagen ungestört am Strand relaxen, schwimmen und sich vom Berufsleben erholen. An den wenigen bewölkten Tagen kann man die reiche Geschichte und Kultur von Lesvos entdecken und Ausflüge zum Kloster Moni Limonos, zu dem schönen Ort Sikamias oder in den versteinerten Wald von Sigri unternehmen.
Zwischen Antissa und Sigri im Nordwesten von Lesbos befindet sich der versteinerte Wald. Dieses auf der Welt einzigartige Ökosystem erstreckt sich über eine Fläche von 150 Quadratkilometern und wirkt insgesamt karg und wüstenhaft. Wegen des fehlenden Niederschlages und des Vulkangesteins überwiegen Zwergstrauchheiden. Hier haben vor 15 bis 20 Millionen Jahren Vulkane bei ihren Eruptionen ein Kunstwerk der Natur hinterlassen. Ihre Ausbrüche und deren Ascheschichten haben im Westteil der Insel uralte Wälder von riesigen Mammutbäumen für die Ewigkeit konserviert. Im UNESCO Welterbe-Park kann man diese versteinerten Baumstümpfe (Pinoxylon paradoxum), Vorfahren unserer heutigen Zypressen, besichtigen. Unter ihnen befindet sich der größte aufrecht stehende fossile Baumstumpf Europas mit einem Umfang von über 8 m und einer Höhe von 7 m.
Auf der Rückfahrt sollte man einen Abstecher in den Ort Antissa machen. Die Platia des Ortes ist eine wahre Pracht. Dieser Hauptplatz des Ortes ist von Platanen beschattet und wird von mehreren Tavernen und Kafenions umsäumt. Bei einem Frappe kann man dort sehr schön das griechische Alltagsleben beobachten.
Ein anderer Ausflug führt über Skalochori durch Wälder und Olivenhaine vorbei an reizvollen Bergdörfern in die Flachebene des großen Golfes von Kalloni mit seinen großen Feuchtgebieten.
Kalloni liegt umgeben von ausgedehnten Olivenhainen in der Mitte der Insel Lesbos in einer großen Ebene und stellt ein ökonomisch wichtiges Handelszentrum dar. Für die meisten Reisenden ist die Bezirksstadt nur eine Durchgangsstation. Urlauber zieht es eher an die ruhigen und ausgedehnten Strände des Golfes von Kalloni mit den Ferienorten Skala Kalloni oder Parakila. An den Stränden und besonders in den Salinen von Kalloni kann man viele Vögel (Flamingos, Phönixe u.a.m.) beobachten, da sie ein ausgezeichneter Zufluchtsort zur Paarung seltener Vogelsorten sind. Aufgrund der unzähligen Vogelarten, die entweder dort heimisch sind oder die Salinen als Zwischenstation auf ihrer Zugroute nutzen, sind die Feuchtgebiete von Kalloni bereits vor Jahren zum Naturschutzgebiet erklärt worden und stellen ein Eldorado für Ornithologen dar. Zur Beobachtung der Vögel wurden extra einige "Birdwatching" Türme aufgestellt.
In unmittelbarer Nähe von Skala Kalloni mündet der East River in die Bucht von Kalloni. Auf den Disteln der Uferböschung kann man sehr gut sitzende Grünfinken, Ammern, Stieglitze und andere Vögel beobachten und fotografieren. Wer Glück hat, bekommt sogar einen Schwarzstorch zu Gesicht. Geduldige Ornithologen werden auch verschiedene Limikolen und Watvögel entdecken. Auf den umliegenden Weiden jagen Bienenfresser und man kann Rotkehlpieper, Rotflügel-Brachschwalben, Felsenkleiber, Zwergdommeln oder die häufige Haubenlerche finden.
Außerhalb von Kalloni, zurück in Richtung Skalochori (5 km) befindet sich die Klosteranlage Moni Limonos. Es ist das größte und beeindruckendste Kloster auf der Insel. Es wurde 1526 gegründet und wurde genutzt, bis die Osmanen Lesbos eroberten. Die Hauptkirche des Klosters wurde 1523 erbaut und darf nur von Männern besucht werden. Zu den Sehenswürdigkeiten im Kloster gehört neben den kunstvollen Fresken im Inneren der Kirche eine umfangreiche Bibliothek mit mehr als 5.000 Büchern und ein Museum für Heimat- und Kirchenkunde. Hier kann der Besucher sowohl byzantinische Ikonen und Priesterutensilien als auch andere geschnitzte Gebrauchsgegenstände besichtigen. Im Unterschied zu vielen anderen griechischen Klöstern befinden sich auf dem Klostergelände viele kleine und große Kirchen, die verschiedenen Heiligen geweiht sind.
Anstelle einer Autofahrt kann man in der Nebensaison, wenn die Sonne nicht mehr so heiß herunter brennt, auch schöne Wanderungen unternehmen So führt eine wunderschöne, aber lange (etwa 14 Kilometer!) Wanderung von Molivos in den Ostteil der Insel durch dichte Kiefern- und Kastanienwälder zum nördlichsten Fischerort Skala Sikamnias mit seinen hübschen Hafentavernen. Das Wahrzeichen von Skala Sikamnias ist die kleine Kirche Panagia tis Gorgonas auf einer kleinen Landzunge, die den Hafen zum Meer hin abschirmt. Auf dieser Tour, die man auch mit dem Auto etwas oberhalb in der bergigen Landschaft durchführen kann, wird man ergriffen von der wilden Schönheit der Insel und den herrlichen Ausblicken über das Meer auf die kleinasiatische Küste.
Neben all dem Überfluss an Schönheit hat die Insel aber auch noch etwas anderes zu bieten, nämlich die typisch griechische Lebensart und Gastfreundschaft ihrer Bewohner.
LESBOS - Insel des Lichtes, Lesvos
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