Ein Juwel mittelbyzantinischen Kirchenbaus in Thessaloniki ist die Kirche der Hagía Sophía (Ἁγία Σοφία), ein beeindruckender Bau mit einem Grundriss von 35 x 43 m, eine Schwesterkirche der berühmten Hagía Sophía von Konstantinopel und daher ein Kirchenbau, der die Bedeutung Thessalonikis betont. Die Kirche erhebt sich südlich der Egnatía-Straße an der Stelle eines ausgedehnten Baukomplexes der römischen Kaiserzeit teilweise auf den Fundamentresten einer weiträumigen, 122 x 53 m messenden frühchristlichen Basilika. Diese war wahrscheinlich die erste fünfschiffige Bischofskirche Thessalonikis, von der ein Teil der Altarapsis mit Strebepfeilern im Keller eines Hauses östlich der Hagía Sophía erhalten ist. Interessant ist indes, dass die Hagía Sophía in der Forschung trotz der allgemeinen zeitlichen Einordnung ins 8. Jh. unterschiedlich datiert wird.
Einige Forscher wollen sie zwischen 690 und 730 zeitlich einordnen, andere hingegen zwischen 717 und 741 oder gar zwischen 780 und 797. Dies soll jedoch nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass die Hagía Sophía in Thessaloniki zu den drei wichtigsten Kirchen Griechenlands gehört, „deren Architektur die Geschichte des Typs der Kreuzkuppelkirche veranschaulicht“ (W. M. Polewoi).
Dies sind die Kirche des hl. Titus in Gortyn auf Kreta, die Hagía Sophía in Thessaloniki und die Panagía-Kirche in Skripou in Boiotien. Die architektonische Grundform der Hagía Sophía in Thessaloniki ist „ein rechteckiger, kompakter Körper“, bekrönt von einer niedrigen Kuppel. Ihr Grundriss ist eine gelungene Mischung aus dreischiffiger Basilika und griechischer Kreuzkuppelkirche mit davorliegendem Narthex. Nach Osten endet dieser Bau in drei, weit aus dem Grundriss vorspringenden, allerdings relativ schmalen Apsiden, die an die Hauptapsis herangerückt sind und diese ummanteln.
Die Bedeutung der im 16. Jh. in eine Moschee umgewandelten und heute wieder orthodoxen Kirche liegt auch und gerade in ihrer kostbaren Innenausstattung mit großartigen Mosaiken. Von dem einstigen Mosaikprogramm im Inneren, das zu dem bedeutendsten Programm der Frühzeit zu rechnen ist, sind glücklicherweise wichtige Teile erhalten, etwa in der Wölbung der Altarnische mit der Darstellung der Gottesmutter auf ihrem Thron: Schmal, wenig körperhaft, von Gewändern umhüllt vor dem Goldgrund des Hintergrundes, hält die Mutter den thronenden Christusknaben vor ihrem Oberkörper, der wie ein verkleinerter Erwachsener mit einem kostbaren, faltenreichen Gewand gebildet ist. Seine kleine Rechte hat er zum Segensgestus erhoben und in seiner Linken hält er die Buchrolle. Ein Bildnis, das zudem Gemeinsamkeiten mit der Darstellung in der Hagía Sophía in Konstantinopel aufblitzen lässt.
Und dann das Kuppelmosaik mit der Himmelfahrt Christi, das eindrucksvollste Mosaikbild in dieser Kirche. In zwei Zonen ist dort die Himmelfahrt Christi dargestellt, ein Thema, das von den Evangelisten kaum erwähnt wird und eine ausführliche Schilderung erst in der Apostelgeschichte erfuhr: Apg. 1, 9-11. Auf diese Textstelle bezog sich der Mosaizist, wie aus der Kuppelinschrift hervorgeht. Im Zentrum der 12 m im Durchmesser messenden Kuppel ist in einem bunten, kreisförmigen, von zwei Engeln getragenen Rahmen der auf einem halbkreisförmigen Regenbogen thronende, in kostbare goldene Gewänder gehüllte Christus mit der Buchrolle in seiner Linken und mit seiner zum Segensgestus erhobenen Rechten dargestellt. Zugleich werden um dieses zentrale Medaillon herum in einem größeren Kreis der Zug der Apostel und die Gottesmutter zwischen zwei Engeln wiedergegeben. Somit erinnert der Mosaizist dieses Kuppelmosaiks an frühchristliche Mosaikdarstellungen im Baptisterium der Orthodoxen und im Taufhaus der Arianer in Ravenna, wo ähnliche Gestaltungsprinzipien in den langen, faltenreichen und die Körper umhüllenden Gewändern der Apostel zu erkennen sind, bei denen nur Kopf, Hände und Füße plastisch formuliert wurden.
Wichtig im Kuppelmosaik in Thessaloniki ist aber die Einbeziehung der Gottesmutter in dieses Thema. Sie steht mit zum Gebet ausgebreiteten Händen zwischen zwei stilisierten Palmen und ist von den beiden Engeln umgeben. Die stilisierten Landschaftsangaben, in die sie quasi hineingebettet wurde, ähneln jenen im Apostelteil dieser Mosaikzone und deuten eine Bergwelt an. Hier in Thessaloniki übernahm die Gottesmutter im Typus der Orans jene Funktion, die im großartigen Apsismosaik der Basilika Sant’Apollinare in Classe im 6. Jh. n. Chr. der Titelheilige Apollinaris innehatte. Darin erkennen wir eine Weiterentwicklung dieses Motivs und können dementsprechend eine Datierung ins 9. oder 10. Jh. vornehmen. Dagegen datieren einige Forscher die Mosaiken im Tonnengewölbe des Chors (Monogramme der Kaiserin Eirene, Kaiser Konstantin VI. und des Bischofs Theophilos) ins Jahr 784 und vermuten einen Zusammenhang mit einer Reise dieser Kaiserin nach Thessaloniki in diesem Jahr.