Ende des 10. Jahrhunderts: Im westlichen Europa steht das sogenannte „Heilige Römische Reich“ unter der Herrschaft des deutschen Kaisers Otto I., im Osten befindet sich das von griechischen Kaisern regierte Byzantinische Reich mit seiner Metropole Konstantinopel auf seinem kulturellen und zivilisatorischen Höhepunkt, und das damals noch heidnische und unkultivierte, gleichwohl starke riesige Russland strebt nach oben und träumt von einer gleichwertigen Machtstellung als Gegengewicht zu den beiden großen Reichen. In diese Zeit entführt die in Russland als Tochter eines Griechen und einer Russin geborene, in Thessaloniki aufgewachsene und heute in Athen lebende Schriftstellerin Kira Sinou den Leser ihres im Romiosini Verlags erschienenen Buches „Kaiserin Theophano.
Ein Geschenk aus Byzanz“. Im Grunde genommen handelt das Buch jedoch gleich von zwei „Geschenken aus Byzanz“, sind doch damit die Prinzessinnen gemeint, die in dieser von ständigen Kriegen geprägten Epoche von den byzantinischen Kaisern gerne mit Herrschern der konkurrierenden Staaten verheiratet wurden, um vorteilhafte Allianzen zu schmieden. Mit der Prinzessin Theophano, die als Frau von Otto II. zur deutschen Kaiserin wird, und Prinzessin Anna, die widerstrebend mit dem russischen Herrscher Fürst Wladimir, der als Gegenleistung orthodoxer Christ werden muss und sein gesamtes Volk taufen lässt, verheiratet wird, stellt Kira Sinou in ihrem historischen Roman zwei Frauen vor, die durch ihre Ehen mit fremden Monarchen deren Reiche nachhaltig geprägt haben und in Griechenland nahezu unbekannt geblieben sind. Beide byzantinische Prinzessinnen hatten Glück, wurden sie doch von den für sie ausgewählten Männern geliebt: „Theophano fand Gelegenheit, ihren jungen Gatten besser kennenzulernen, den schon ein wenig Bier gesprächiger und weniger befangen machte. Nein, ihr Onkel Tsimiskis hatte ganz und gar keine schlechte Wahl getroffen. Er hatte genau gewusst, was er tat, denn er verband politische Zweckmäßigkeit mit dem Menschlichen. Jetzt, wo sie ihn näher kennenlernte, erschien ihr der junge Otto immer weitherziger und sympathischer. Sie merkte sogar, dass er in sie verliebt sein musste – denn immer wieder ertappte sie ihn dabei, wie er sie mit unverhohlener Bewunderung und Verehrung ansah!“
Eine Romanhandlung im eigentlichen Sinne gibt es in Kira Sinous Buch allerdings nicht: Auf der Grundlage der historischen Fakten werden die Ereignisse dieses Zeitabschnitts und die jeweiligen frühmittelalterlichen Verhältnisse in gesellschaftlicher wie auch politischer Hinsicht kapitelweise wechselnd mal aus byzantinischer, deutscher oder russischer Sicht sehr anschaulich geschildert, wobei Theophano in ihrer Rolle als deutsche Kaiserin im Mittelpunkt steht. Sie brachte den Deutschen die griechische Zivilisation näher und sorgte dafür, dass sie sich von griechischen Vorbildern der Literatur und Kunst inspirieren ließen.
Die Autorin hatte jedoch, wie sie im Vorwort feststellt, „nicht viel Spielraum für Fiktionen“, da alle wesentlichen Personen, auf die sie sich bezieht, real existierten. „Ich habe gelernt, die Geschichte zu respektieren und wollte sie nicht verfälschen, um sie meiner Handlung anzupassen“, schreibt Kira Sinou. Und: „Während dieser Studien stieß ich auf zahlreiche Unstimmigkeiten und Widersprüche, da jeder Historiker die Geschichte aus dem Blickwinkel seines eigenen Landes betrachtet. Nur an solchen Stellen erlaubte ich mir den Einsatz dichterischer Freiheit, in dem ich jeweils die Auslegung wählte, die besser zu passen schien.“ Die wahren Begebenheiten können mit der Fantasie eines Schriftstellers durchaus mithalten, sorgt Kira Sinou mit den zum Leben erweckten Geschichten in „Kaiserin Theophano. Ein Geschenk aus Byzanz“ doch für ein spannendes und interessantes Lesevergnügen.
Kira Sinou, die außer Griechisch, Deutsch und Englisch auch sehr gut Französisch und Russisch beherrscht, hat neben ihrer Tätigkeit für verschiedene Zeitschriften, den Rundfunk und das Fernsehen auch Bücher für Kinder und Jugendliche geschrieben, in denen sie Themen aus der Geschichte und aktuelles Zeitgeschehen spannend behandelt. Neben 29 eigenen Büchern, die sie geschrieben hat, übersetzte sich auch mehr als 100 Werke aus vier verschiedenen Sprachen ins Griechische.
Kira Sinou: Kaiserin Theophano. Ein Geschenk aus Byzanz.
Historischer Roman.
Aus dem Griechischen übersetzt von Brigitte Münch.
Mit Zeichnungen von Spiros Goussis.
Romiosini Verlag Köln. 309 Seiten.
ISBN: 978-3-929889-84-6.