In seiner 1998 eröffneten Reihe „Sedones“ präsentiert der Verlag Dr. Thomas Balistier Bücher, die den Leser auf spannende und unterhaltende Weise über die bewegte und bewegende Geschichte und die faszinierende Kultur Kretas, der größten griechischen Insel, informieren.
Die kleinen Bände, die jeweils ein Thema behandeln, richten sich gleichermaßen an Kenner und Liebhaber und an all jene, für die Kreta noch unbekanntes Land ist. Jetzt sind gleich zwei neue interessante und lesenswerte Bücher in der Reihe erschienen: Hans Prescher erinnert in „General Kreipe wird entführt“ (Sedones 9) an ein Husarenstück auf Kreta im Jahre 1944; Zacharias G. Mathioudakis (Herausgeber) stellt in „Eine Frühlingsfahrt nach Kreta“ (Sedones 10) einen historischen Reisebericht von Martin Rikli aus dem Jahre 1914 vor.
Zacharias G. Mathioudakis (Herausgeber), „Eine Frühlingsfahrt nach Kreta“
Im Frühjahr 1914, ein Jahr nach dem Anschluss der Insel an Griechenland, unternahm eine 24-köpfige Reisegesellschaft aus Zürich eine naturwissenschaftliche Exkursion nach Kreta. Die Gäste aus der Schweiz wurden von den örtlichen Honoratioren und von der Bevölkerung herzlich willkommen geheißen, stand das Unternehmen doch unter dem Patronat des griechischen Königs Konstantin. Martin Rikli, der mit von der Partie war, notiert am Ende seines Reiseberichts: „Das Ungemach und die gelegentlichen Entbehrungen, die eine solche Reise mit sich bringen, sind längst vergessen; aber ein Kapitel fürs Leben bleiben all die mannigfachen, originellen Reisebilder, die vielen Einblicke in den Aufbau kretischer Landschaften, in die an endemischen Typen so überaus reiche Vegetation und in das Volksleben dieser eigenartigen, auch heute noch von der westeuropäischen Kultur fast unberührt gebliebenen Insel. Es war ein Wandern in längst vergangenen Zeiten.“
In der Tat, was Rikli (1868-1951), der Konservator am Institut für spezielle Botanik an der Eidgenössisch-Technischen Hochschule, Professor für Botanik und Präsident der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich war, mutet dem heutigen bequem mit Massentransportmitteln Reisenden abenteuerlich an: So schreibt Rikli, dass die Reisevorbereitungen „viele Schwierigkeiten verursachten“ und „das Bereisen des Inneren der Insel in größerer Gesellschaft von mancher Seite als völlig undurchführbar hingestellt wurde“.
Zum Gelingen der Reise trug bei, dass der damalige Zivilgouverneur Kretas an die Vertreter der Provinzen und Gemeinden, die bereist werden sollten, Empfehlungsschreiben geschickt und Gendarmeriebegleitung angeordnet hatte. Dies geschah „nicht zum Schutze, sondern zu Ehren der Gäste“, stellt Zacharias G. Mathioudakis in seiner kommentierenden Einführung fest, die für den heutigen Leser eine wichtige Hilfestellung bedeutet.
Mathioudakis, der 1932 in Klima auf Kreta geboren wurde, in Deutschland Agrarwissenschaften studiert hat, seit Jahren in Stuttgart lebt und unter anderem Erzählungen, Essays, Märchen, Fabeln und Gedichte schreibt, macht eingangs nicht nur mit den damaligen Rahmenbedingungen der „Frühlingsfahrt“ und den örtlichen Begebenheiten vertraut, sondern rückt auch manche dem heutigen unbedarften Leser un- und missverständliche Ausführungen Riklis ins rechte Licht. Schließlich hat sich seit der Erstveröffentlichung von Riklis Reisebericht 1917 als Neujahrsblatt Nr. 119 der Naturforschenden Gesellschaft Zürich auch auf Kreta einiges verändert - und das bezieht sich nicht nur auf die Sprache, die reformiert wurde, oder Ortsnamen, die sich geändert haben. Doch die Schilderungen Riklis über die mediterrane Flora, die uralte kretische Kultur, die Menschen, die Städte und Dörfer üben auch heute einen Reiz auf den Leser aus.
Zacharias G. Mathioudakis (Herausgeber):
Eine Frühlingsfahrt nach Kreta.
Ein historischer Reisebericht von Martin Rikli aus dem Jahre 1914.
Sedones 10, Verlag Dr. Thomas Balistier, Mähringen.
112 Seiten. 12,80 Euro. ISBN 978-3-937108-12-4.