„Als im Jahre 1912 Thessaloniki an den griechischen Staat angeschlossen wurde, bildeten die Juden die bevölkerungsstärkste Gemeinschaft der Stadt, die über ein für die damalige Zeit beneidenswertes wirtschaftliches, kulturelles und soziales Niveau verfügte. Mit anderen Worten: das geistige Fundament der Stadt wurde in entscheidender Weise durch ihre Präsenz geprägt.“ (Anastassis Vistonitis in: Die Sonnenblumen der Juden. Köln 2006). Auch das heutige Stadtbild schmücken nicht allein historische Bauwerke wie z.B. der Weiße Turm, der Triumphbogen des Galerius, Kirchen aus byzantinischer sowie umfunktionierte Moscheen und Bäder aus türkischer Zeit. Welche repräsentativen Zeugnisse jüdischer Architektur zur Stadt am Thermaїschen Golf prägend dazugehören, das wird jetzt von zwei bestens ausgewiesenen Expertinnen (Rena Molho, Professorin für Geschichte der jüdischen Griechen an der Pantios-Universität Athen, und Vilma Hastaoglou-Martinidis, Professorin für Architekturgeschichte an der Aristoteles Universität Thessaloniki) vor Augen gestellt. In komprimierter Darstellung bieten sie einen geschichtlichen Überblick, Biografien herausragender Persönlichkeiten und – im Hauptteil – die Beschreibung markanter Kult-, Wirkungs- und Wohnstätten der jüdischen Gemeinde. Im abgedruckten Stadtplan ist mit Nummern markiert, wo sich die abgebildeten Bauwerke auffinden lassen. Das drängt die „makabre Wissenschaft der Nummern“, von der Primo Levi in Ist das ein Mensch? spricht, zwar nicht in den Hintergrund. Wer in Auschwitz eine 116.000er oder 117.000er Nummer trug, war – woran Levi erinnert – ein Saloniki-Jude. Aber diese Publikation zeigt eindrucksvoll, dass „die Gemeinde der Stadt wieder Großes schafft“, wie David Saltiel, der Präsident der Jüdischen Gemeinde von Thessaloniki, in seinem Vorwort feststellen kann.
Rena Molho und Vilma Hastaoglou-Martinidis
Jüdische Orte in Thessaloniki. Ein historischer Rundgang (mit Stadtplan)
Übersetzt von Philipp Haugwitz
Lycabettus Press Athen
Romiosini Verlag Köln 2011, 88 S.
ISBN 978-3-7269-52-2