Musikalische Reise in die Welt des Rembetiko
Rembetiko oder Rebetiko? Über die richtige Schreibweise ist - ebenso wie über die Herkunft des Begriffs und der Musik sowie die Echtheit und anderes mehr - unter Experten bereits viel gestritten worden, ohne zu einem eindeutigen Ergebnis zu kommen. So ist die Wahl der Schreibweise eine Entscheidung nach eigenem Gusto. Das Label Network hat sich bei der 15. Produktion seiner erfolgreichen Reihe von Anthologien für Rembetiko und damit für die phonetische Übertragung entschieden, so wie es die Griechen etwa aussprechen: Unter dem Titel „The Diaspora of Rembetiko“ präsentiert das Doppel-CD-Paket - der Vertrieb in Deutschland erfolgt durch Zweitausendeins - mit 31 Ensembles aus 13 Ländern zum ersten Mal überhaupt die aktuell wichtigsten Repräsentanten des Rembetiko und verdeutlicht gleichzeitig, wie sich der „griechische Blues“ in vielfältigen Formen rund um den Erdball verbreitet und weiterentwickelt hat.
Entstanden Ende des 19. Jahrhunderts in den subkulturellen Milieus der Hafenstädte und nach mehreren wellenartig erlebten Blütezeiten, feiert diese nach dem Zweiten Weltkrieg eher zu einer Randerscheinung gewordene Musik seit etwa zwei Jahrzehnten ein Revival. Rembetiko-Lieder erklingen nicht nur in den griechischen Tavernen weltweit, sondern auch bei der Eröffnungs- und Schlussfeier der Olympischen Spiele in Athen. Auch der zentrale Anfeuerungsruf bei den Europameisterschaftsspielen der griechischen Mannschaft und beim Empfang des Fußball-Europameisters in Athen entstammte einem Rembetiko-Lied. „Zunächst überrascht es“, so schreibt Christos Scholzakis in dem illustrierten, englisch-, deutsch- und französischsprachigen Beiheft zu den CDs, „dass die noch vor gar nicht so langer Zeit verpönte Musik der Randgruppen und Underdogs zu Zeiten von Hochgefühlen eine so große Rolle spielt. Doch angesichts der zunehmenden Vereinzelung, Anonymisierung und Homogenisierung des sozialen Lebens in der westlichen Welt verwundert es weniger, dass es zur Renaissance einer Musik kommt, die stark gefühlsbetont ist, in der Rhythmik zum gemeinsamen oder soloimprovisierten Tanz einlädt und in der Aufführungspraxis nach der Einheit von Musikern und Publikum strebt.“
Musikgruppen in Griechenland und im Ausland setzen sich mit dieser Musik wieder auseinander - - in Neuinterpretationen der alten Klassiker, teilweise mit musikalischen Erneuerungen, oder in Kompositionen, die von aktuellen Gefühlen und Erfahrungen geprägt sind. In amerikanischen Metropolen ebenso wie in Melbourne, Berlin, Stockholm und vielen anderen Städten bilden nicht nur Kinder und Enkel einstiger Emigranten Rembetiko-Gruppen. „Auf authentischen Instrumenten spielen sie das alte Material oder sie treten mit Musikern anderer Stilrichtungen auf, kreative Begegnungen, die ihnen helfen, Elemente ihrer kulturellen Identität in den Ländern zu finden, in denen sie leben, eine Tendenz, die besonders in den letzten zehn Jahren zu beobachten ist“, stellt Nikos Valkanos in dem Beiheft fest. Diese Bestrebungen dokumentiert „The Diaspora of Rembetiko“, unter den auf den beiden CDs eingespielten 33 Stücken befinden sich neun Neuaufnahmen oder „vergriffene Perlen“. Die musikalische Reise um die Welt stellt unter anderem Gruppen vor wie die von den Galiatsos-Brüder in Melbourne gegründete „Apodimi Compania“ (mit dem Lied „Doctor“ aus Smyrna). Oder die unter der Leitung von Jannis Karis speziell für dieses Anthologie-Projekt gegründete Gruppe „Salto Orientale“ (mit „Kegome“ aus dem Soundtrack des Filmes „Rembetiko“), die sich aus griechischen, türkischen, marokkanischen und deutschen Musikern aus dem Frankfurter Untergrund zusammensetzt. Vertreten sind auch die Frankfurter Band „Prosechós“ (mit „Plimyra“ von Markos Vamvakaris), die Anfang der achtziger Jahre ein Manifest gegen die „Zorbaisierung und Souvlakisierung“ der griechischen Musik, gegen das eintönige Sirtaki-Gedudel aus den griechischen Kneipen in Deutschland veröffentlichte, und die Kompania von Jannis Zotos aus Berlin mit einem Klassiker von Michalis Jenitsaris („Ego mangas phenomouna“). Die Türkei ist unter anderem vertreten durch Kudsi Erguner mit seinem Ensemble (und dem Rembetiko „Yedikule“) und Melihat Gülses (mit „Barba Yannakakis“), die USA durch die renommierte Künstlerin der New-Yorker Avantgarde, die griechische Sängerin Diamanda Galas mit dem Rembetiko-Lied „Anoixe“ und das „Café Aman America Orchestra“ mit „O Pinoklis“, Schweden durch die Gruppe „Taximi“, die ein traditionelles Liebeslied aus dem 19. Jahrhundert, "Rosenbuskens blad" (griechisch „Tis triantafyllias ta filla“), spielt, Holland durch das Ensemble Palio-Paréa mit der Ode auf den Mangas „Tou Votanikou o mangas“ von Giorgios Bithikotsis, Kanada durch die „Rembetika Hipsters“ mit „Mes tis Polis to hammam“. Auch die französische Gruppe Bratsch und der spanische Sänger Miquel Gil werden vorgestellt.
Von den „Ikonen der jüngeren griechischen Musikgeschichte“ sind unter anderen der große griechische Komponist Mikis Theodorakis (das Lied „Sta pervolia“ wird von Grigoris Bithikotsis gesungen), der bekannte Sänger und Songschreiber Dionyssis Savopoulos mit dem Lied „Zeybekiko“, die Musiker Nikos Xydakis, Manolis Rasoulis und Nikos Papazoglou mit „I manges den iparchoun pia“ sowie Stavros Xarchakos mit Musik aus dem Film „Rembetiko“ auf den hörenswerten CDs vertreten. Die Sängerin Niki Tramba versetzt zusammen mit Ross Daly und der Gruppe „Labyrinth“ in die Stimmung der Kaffeehäuser Smyrnas. Wenngleich nur ein kleiner Ausschnitt aus dem jeweiligen meist umfangreichen Repertoire der vorgestellten Gruppen und Künstler zu hören ist, gelingt es der Anthologie „The Diaspora of Rembetiko“ doch, einen Ein- und Überblick über diesen überaus vielfältigen „neuen Musikkosmos“ (Zitat Christos Scholzakis) zu geben.
„The Diaspora of Rembetiko“, Doppel-CD-Paket,
zweieinhalb Stunden Spielzeit, illustriertes Beiheft mit Einführungstext und Übersetzungen von Liedtext-Passagen,
Best.-Nr. 27.418, Vertrrieb in Deutschland durch Zweitausendeins