Carole Meier ist Schweizerin, eine junge Geigensolistin aus Bern, und sie wird heute abend ein kleines Hauskonzert im Idyllion Hellenikon geben. Die Begegnungsstätte im „grünen Salon“ von Selianitika, einem kleinen griechischen Dorf am korinthischen Golf, nahe der achaiaschen Präfektur und Hafenstadt Patra, ist jetzt, Ende Oktober in einer Ruhephase, beinahe menschenleer, während im großen Garten, direkt am Meer, die letzten der 12 verschiedenen Traubensorten geerntet werden, die rotgoldenen Kakis in der Herbstsonne von den Bäumen glänzen und Apfelsinen und Grapefruits langsam ihrer saftigen Reife entgegenwachsen. Carole Meier ist ein Naturtalent (Kontakt für Konzertanfragen über 0041-31-3020734), aus ihren Aufführungen kann man leicht eine gute Portion Liebe nicht nur für die Musik, sondern auch für das Land der Hellenen heraushören. Im Idyllion Hellenikon ist sie zum ersten Mal, nicht aber in Griechenland. Gleichzeitig zu ihrem Solovortrag auf der Violine singt Carole mit sanft-rauchiger Stimme. Alte kretische Volks- und Bauernlieder trägt sie in vollem Rhythmus und perfekter griechischer Sprache vor, darüberhinaus schlägt ihr Herz für die Zigeunermusik und internationale Folklore. Die nur 8 Gäste an diesem Abend begreifen Carols Musik mit Staunen und Rührung.
Es ist nicht immer so leer im Idyllion Hellenikon. Seit Andreas Drekis, Sohn eines griechisch-orthodoxen Pfarrers aus Egion, im Jahre 1990 Vision und Lebenstraum mit der Eröffnung seines „Epikur´schen Gartens“, einer musisch-kulturell-philosophisch internationalen Begegnungsstätte verwirklichte, gaben sich hier bekannte Chöre, große Sinfonie-Orchester und renommierte Dirigenten ebenso die Türklinke in die Hand, wie Altphilologen und junge Maler, Operndivas und Lyriker, bildende Künstler und viele andere, die einfach nur Kunst- und Kulturgenuss ausgiebig unter der griechischen Sonne ausleben und diskutieren wollen. Hiervon später mehr. Andreas Drekis selbst ist Wissenschaftler, Künstler und Philosoph gleichermaßen. Nach Besuch des humanistischen Gymnasiums studierte er bei Professor Egon Tuchtfeld in der Schweiz „Nationalökonomie“ und entwickelte hieraus eine neue Theorie, die er nicht Volkswirtschaftslehre sondern „Volksglückslehre“ nannte. In Zusammenarbeit vieler Wissenschaften sollten neue qualitative Werte zur „effektiven Steigerung der Lebensqualität“ festgelegt werden. Da solche quantitativ nur sehr schwer messbar sind, entfachte sich eine lebhafte Diskussion, doch Ökonomen und Psychologen erforschten nun „das Glück als Maßstab allen Wohlstandes“ (siehe hierzu den Artikel aus dem „Spiegel“ April 2003 unter: http://www.wieobensounten.de/pers/emotion/paradies.html).
Die Anlage und Architektur des Hellenikon Idyllion wurde von Drekis selbst entworfen. Ihm ging es nicht darum, ein „Künstlerhotel“ zu schaffen, sondern einen „Garten der Musen und des freien, philosophischen, klassischen griechischen Geistes“. Eine Villa mit Wohnungen und etlichen kleinen Bungalows wurde inmitten des naturbelassenen blüten- und früchtereichen Gartens integriert. Über Aussentreppen, große Terrassen und Veranden haben alle Wohnräume einen direkten Zugang zum Garten, in Drekis Sprache wird so ein direkter Dialog, ein schöpferisches Miteinander von Natur und Kultur geschaffen. Geistige und kulturelle Werte, die in unserer schnelllebigen Zeit verloren zu gehen drohen, können nach seiner Absicht und Ansicht so wieder erlebbar gemacht, ins Bewusstsein gerückt und auf kreative Weise erhalten bleiben. Andreas Drekis im Originalton: „Was erfüllt den Menschen wirklich? Die Erfüllung besteht in seiner Wahrnehmungsfähigkeit für sichtbare und insbesondere auch für unsichtbare Werte. Unsichtbare Werte entstehen im inspirierenden und schöpferischen Austausch bei Begegnungen von gleichgesinnten Menschen. Der Garten von Hellenikon Idyllon mit seiner speziellen Architektur und Infrastruktur, ist der „Genius Loci“ für das intensive Erleben der unsichtbaren Werte“.
Kommen wir „Unsichtbaren“ wieder zurück zum „Fassbaren und Fühlbaren“, zu der besonderen Art der Gastfreundschaft an diesem doch sehr speziellen Ort. Da ist zum Beispiel der junge Bartosch aus Polen. Er studiert Volkswirtschaft im holländischen Groningen und wird nun für einige Monate sein Praktikum für Kulturmanagement im Hellenikon Idyllion machen. Wer in den oder für die Bereiche Marketing, Öffentlichkeitsarbeit, Informatik, Webdesign oder sonstige kulturelle Engagements tätig ist, erhält immer gerne eine Praktikantenstelle im Epikur´schen Garten am Meer. Eine Gruppe neugieriger Besucher wird nun erwartet. „Leute, kümmert euch um die Früchte, pflückt sie, esst sie, sie sind für euch da“, ruft Andreas Drekis den Ankömmlingen zu, deutet dabei auf Feigen, Granatäpfel, Kürbisse, Oliven, Melintzanes und die verschiedenen Zitrusfrüchte. Das imponiert auch Mallinda Moraitis, einer flotten Endvierzigerin, die lange mit einem griechischen Mann verheiratet war, jetzt aber als gestandene Kosmopolitin wieder in Deutschland lebt. Mallinda hat viele Berufe (und Berufungen), derzeit pflegt sie im Turnus von jeweils 14 Tagen und Nächten alte Menschen in deren eigenem Zuhause. In ihrer Freizeit schreibt sie Science-Fiction-Romane und Drehbücher. Mallinda ist seit ein paar Tagen im Hellenikon und genießt das Sein in ihrem winzigen Bungalow nur etwa 10 Meter vom Meer enfernt, alles ein wenig eng, kleine Kochnische, Hochbett über eine Stiege erreichbar und natürlich die wunderschöne Terrasse. „Hier finde ich die Ruhe für meine Schreiberei, hier inspiriert mich alles“, sagt sie uns, „und toll finde ich es auch, dass ich meinen Aufenthalt durch ein paar Stunden Mitarbeit in Garten und Küche mit ganz wenig Geld bestreiten kann. Ich werde sicher wiederkommen!“ Auch das ist, zumindest im Winter, hier möglich: Aufenthalt gegen Mitarbeit, das Idyllion Hellenikon ist eben kein Hotel und auch kein kommerzieller Gewinn-Erwartungsplatz.
So ist auch der Eintritt zu den vielen kleinen und großen Konzerten immer kostenfrei. Seit Andreas Drekis im Jahre 1995 im Bergdorf Peristera an den Hängen des Berges Helmos -wo sich die mythologische Styxquelle befindet- das erste „Boukolische Sinfonie Konzert“ arrangierte, haben in seinem Garten und auf seine Veranlassung auch in den umliegenden griechischen Städten und Dörfern wie Patras, Egion, Akrata, Messolongi, Nafpaktos, Pyrgos oder Korinth, um nur einige zu nennen, rund 400 Konzertveranstaltungen mit etwa 80 Orchestern und Chören stattgefunden. Griechischen und ausländischen Talenten wurde dabei die Möglichkeit gegeben in Recitals oder als Solisten mit den Gastorchestern aufzutreten. Darunter waren „Wunderkinder“ wie die achtjährige Sophie Moser, der elfjährige Werner Schnitzer oder die fünfzehnjährige Konstanze Ziemmann, allesamt bereits Preisträger des deutschen Wettbewerbes „Jugend musiziert“. Jugendorchester und junge Solisten zu fördern ist eine der Herzensangelegenheiten Drekis´und so wundert es auch niemanden, wenn der dreizehnjährige Arsenis Selalmasithis, ein Riesentalent aus Patras, im Hellenikon Werke von Paganini oder das Violinkonzert von Mendelson zelebriert.
Verschiedene Bühnen und Musizierzimmer mit Konzertflügel befinden sich im Garten, die auch den Besuchern jederzeit offenstehen. Hier halten sich die Gäste und Künstler gerne auf. In verwinkelten Ecken und Nischen finden sie Entspannung, in einer deutsch- und griechisch-sprachigen Bibliothek die Möglichkeiten altes und neues Wissen zu erwerben und zu erweitern. Und am Abend trifft man sich dann gerne zu einer gemeinsamen Veranstaltung oder zu einem original griechischem Essen an der großen Tafel unter dem Sternehimmel.
Um die vielen bemerkenswerten Events, die hier stattfinden, alle aufzuzählen, könnten wir etliche weitere Seiten von Papier beschriften, zu guter Letzt wollen wir aber unsere Aufmerksamkeit noch einmal auf ein weltweit einzigartiges Projekt richten. Das internationale Zwei-Wochen-Seminar „Auf altgriechisch miteinander sprechen, denken und philosophieren“, seit 1993 im Programm des Hellenikon Idyllion, möchte die attische Sprache und die geistigen Inhalte der altgriechischen Literatur wieder lebendig werden lassen. Geleitet (seit 1995) vom Husumer Philologen und Historiker Helmut Quack werden Themen wie „Goethes griechische Inspiration“ oder „Spätantike Religionen und das Christentum“ ausgearbeitet und diskutiert. Seit 1998 wird in diesen würdigen Rahmen auch der internationale „Wettberwerb Attisch“ integriert. Hier werden von den Bewerbern kurze Abhandlungen zu einem beliebigen literarischen oder philosophischem Thema in altgriechisch-attischer Sprache eingereicht, und von dem Gräzisten Quack, weiteren Philologen und Andreas Drekis bewertet und ausgepreist. So feiern alt- und neugriechische Dichter und Denker wie Sappho, Homer, Seferis, Sikelianos, Kavafis, Takis Antoniou und viele andere muntere Wiederauferstehung.
Schon im Oktober 2006 haben Andreas Drekis und seine Lebensgefährtin Angelika fürs kommende Frühjahr neue Pläne in Kunst und Kultur aufgestellt. Im März wird die Rudolf Steiner Schule Malkurse veranstalten, im April ist ein Jugend-Sinfonie-Orchester aus Holland zu Gast, nicht nur im Hellenikon sondern auch bei griechischen Familien im Dorf, und für das Mai-Seminar in antik-griechischer Kultur hat sich eine ganze Latein-Schulklasse aus Berlin angemeldet. „Erkenne Dich selbst“, lautet der Bezugstitel eines weiteren Mal- und Theaterseminars und aus allen Ecken und Winkeln des „Epikur´schen Gartens“ werden wieder Musik- und Theaterproben zu vernehmen sein. Das Tanzen wollen wir auch nicht vergessen - wenn Andreas Drekis „besonders gut drauf ist“, bringt er den Gästen gerne das „Chorepse Syrtaki“ bei.
Unser letzter Hinweis gilt dem gemeinnützigen Förderverein „Freunde des Hellenikon Idyllion“, 2001 gegründet mit dem Vorhaben, die Ziele der Begegnungsstätte mit Hilfe von aktiven Kulturliebhabern wirksamer bekannt zu machen. Mitglieder und Ehrenmitglieder sind beispielsweise Griechenlands ehemaliger Kulturminister Prof. Dimitris Nianias oder der Unternehmer Theodoros Spyropoulos, Präsident des griechisch-amerikanischen Konzils - und vielleicht bald auch Sie ?
Ausführliche weitere Informationen finden Sie auf der Homepage
www.idyllion.gr