„Alexander“, der nicht so Große - Das Historienepos um den legendären Makedonenkönig beweist einmal mehr, dass sich Hollywood mit der Verfilmung von antiken Stoffen sehr schwer tut. Eigentlich blickte man nach der Ernüchterung um Wolfgang Petersens „Troja“ dem lang erwarteten Start von Oliver Stones Alexander-Verfilmung recht hoffnungsfroh entgegen. 15 Jahre Vorbereitungszeit, Produktionskosten von 150 Mio. US-Dollar, die hervorragenden Referenzen eines Regisseurs, der mit Filmen wie „The Doors“, „JFK“ oder „Nixon“ Filmgeschichte schrieb, und nicht zuletzt die Besetzung mit Stars wie Angelina Jolie, Colin Farrell, Val Kilmer und Anthony Hopkins, aber auch die von Vangelis komponierte Filmmusik ließen in der Tat eine Erfolgsgeschichte sondergleichen erwarten.
Als Garantie für einen Siegeszug bei Kritik und Publikum konnte schließlich auch die Lebensgeschichte Alexanders selbst herhalten: Im Jahre 356 v. Chr. als Sohn des Königs von Makedonien Philipp II. und der intriganten Olympia geboren, ging er bei keinem Geringeren als Aristoteles zur Schule, um nach der Ermordung seines Vaters, erst 20jährig, den Thron des damals mächtigsten griechischen Reiches zu besteigen. 334 v. Chr. bricht er mit einem Heer von 40.000 Infanteristen und 5.000 Reitern auf, um den Perserkönig Darius anzugreifen. Bis zu seinem Tod am Abend des 10. Juni des Jahres 323 v. Chr. hatte der nur 32 Jahre alt gewordene Makedonenkönig ein Riesenreich geschaffen, das sich von Griechenland im Westen bis zum indischen Subkontinent im Osten erstreckte. Doch Alexander ging weniger als Eroberer, sondern vielmehr als „Erbauer“ und „Zivilisator“ in die Geschichte ein. Er gründete Städte, baute das Straßennetz aus, förderte Handel und Wissenschaft. Wenn so einer nicht zum Kinohelden taugt, wer dann?
Das, was Oliver Stone auf die Leinwand brachte, blieb indes weit hinter den Erwartungen zurück. Über die wahre Motivation für Alexanders opferreichen Feldzug konnte der Zuschauer auch nach dem fast dreistündigen Kinospektakel allenfalls raten. Wollte er seinen Lehrer Aristoteles, der in griechischer Überheblichkeit von den Barbaren im Osten sprach, wirklich eines Besseren belehren, oder flüchtete er in seine Eroberungen nur, um dem Einfluss seiner dominanten Mutter zu entgehen? Damit wären wir bei der Besetzung der Rollen: Nichts gegen Angelina Jolie und ihre Schauspielkunst, aber musste man uns wirklich eine derart junge Darstellerin als Mutter Alexanders (gespielt vom praktisch genauso alten Colin Farrell) zumuten?
Problematisch ist sicherlich auch das Drehbuch, das der vermeintlichen Bisexualität Alexanders und seiner großen Liebe für seinen Jugendfreund Hephaistion, wenn auch fast ausschließlich mit Andeutungen, einen zentralen Stellenwert beimisst. Und zwar nicht wegen des übertriebenen Aufschreis, der insbesondere in Griechenland auf Grund des „lästerlichen“ Angriffs auf die Männlichkeit des zum nationalen Symbol hoch stilisierten Königs noch vor dem offiziellen Start des Films losgebrochen war. Gerade homoerotische Beziehungen lagen im antiken Griechenland insbesondere in aristokratischen und philosophischen Zirkeln im Trend. Problematisch ist jedoch, dass durch die offensichtliche Fixierung auf die Beziehung zu Hephaistion das Verhältnis Alexanders zu Roxana in beträchtlichem Maße verblasst bzw. ausschließlich auf das politische Kalkül eines nach Festigung seiner Machtposition strebenden Hegemons reduziert wird.
Viel schwerer wiegt jedoch der verwirrende Plot: Zu keinem Moment vermag der Film eine überzeugende Antwort darauf zu geben, welchem Umstand Alexander das Attribut des „Großen“ verdankt.
Angesichts dieser grundlegenden Schwächen sind die zugegebenermaßen opulenten Sets und Kostüme, die großartigen Landschaftsaufnahmen und die perfekt inszenierten Schlachtszenen kein richtiger Trost. Es wundert daher nicht, dass der Film sowohl beim Publikum als auch bei der Kritik durchfiel. Unter den vielen vernichtenden Kritiken, die gerade in den USA über den Film herein brachen, möchten wir hier einzig Mike Clark von „USA Today“ zu Wort kommen lassen, der „Alexander“ mit prosaischer Nüchternheit als den schwächsten „Oliver Stone“ der letzten 20 Jahre bezeichnete.
Der Vergil’sche Satz „Dem Wagenden hilft das Glück“ war dem Film als Motto vorangestellt. Für Oliver Stone ist das Wagnis „Alexander“ leider nicht aufgegangen.
Den Film gibt es als DVD.
Alexander, USA/GB/D 2004, 173 Minuten
Regie: Oliver Stone
Buch: Oliver Stone, Christopher Kyle, Laeta Kalogridis
Kamera: Rodrigo Prieto
Schnitt: Tom Nordberg, Yann Herve
Musik: Vangelis
Darsteller: Colin Farrell, Val Kilmer, Angelina Jolie, Anthony Hopkins, Rosario Daw-son, Jared Leto
Verleih: Constantin