„Was ist Makronísi? Es ist eine Insel ohne Baum, ohne Wasser, ein kahler Fels mitten im Meer.“ So beschreibt der eingezogene Soldat G. Tzókas im Januar 1949 die Gefängnis- und Verbannungsinsel Makronísi (auch Makrónisos genannt), die gut 4 Kilometer östlich vor der Hafenstadt Lavrio liegt. Während des griechischen Bürgerkriegs wurde Makronísi zur Gefängnis- und Umerziehungsinsel für politische Gefangene; auf Antrag des Generalstabs der Armee vom 19.2.1947 an das Kriegsministerium wurde die Insel zum Konzentrationslager erklärt. Die ersten Pioniere – demokratische oder politisch linksgerichtete unbewaffnete Soldaten – kamen am 26.5.1947 auf Makronísi an. Erst 1958 verließen die letzten politischen Häftlinge Makronísi. Am 16. Mai 1989 wurde die Insel durch die damalige griechische Kultusministerin Melina Merkouri zum geschützten nationalen Denkmal erklärt.
„Die Geschichte, die ich euch erzählen werde, ist die Geschichte Tausender Kinder des Volkes, Tausender Kämpfer des nationalen Widerstands, die wegen ihrer demokratischen Einstellungen entwaffnet, eingesperrt, unmenschlich geprügelt wurden, in die hitlerischen Zwangsarbeitslager von Makronísi geschickt wurden, im wahrsten Sinn des Wortes gelitten haben.“
So begann der ELAS-Angehörige [ELAS = Εθνικός Λαϊκός Απελευθερωτικός Στρατός, Nationale Volksbefreiungsarmee] und Makronisiote G. Tzókas aus Elafótopos Zagoriou, der sich jetzt in unseren Reihen befindet, seine Erzählung.
„Da ihr meine Geschichte hören wollt, wird es gut sein, wenn ich sie von Anfang an erzähle“. Und er begann, sein qualvolles Leben zu erzählen, das schmerzvolle und qualvolle Leben Tausender Kämpfer des nationalen Widerstands.
1. In der Nationalarmee
Zur Armee holten sie mich mit meinem Jahrgang 1941, ich wurde im September 45 eingezogen. Sie schickten mich zur Truppe der Unteroffiziere. Doch nach 4 Monaten jagten sie mich als unerwünscht davon. Ich hatte das schwere Verbrechen begangen. Ich hatte in der Zeit der Besatzung für die Befreiung meines Vaterlands gekämpft. Dasselbe Schicksal wie ich hatten weitere 130 Soldaten, die natürlich gleichfalls für dasselbe „furchtbare Verbrechen“, für die Befreiung des Vaterlands gekämpft zu haben, für schuldig befunden wurden. Im Juni entwaffneten sie uns. Sie entwaffneten damals insgesamt 300 der 43. Brigade. Das „Vaterland“ konnte uns keine Waffe anvertrauen … denn wir kämpften für seine Freiheit. Den ganzen Sommer arbeiteten wir extrem. Im Herbst verschickten sie die 300 der 43. Brigade zusammen mit 200 anderen der VIII. auf Fahrzeugen nach Lamía. Und von dort aus booteten sie sie auf Kreta aus. Ich befand mich damals im Genesungsurlaub. Als ich aus dem Urlaub zurückkam, setzten sie mich im Landbauzentrum der 8. Division ein, wo wir vom Frühjahr 47 an auf den Feldern arbeiteten. Doch am 15. Mai 47 ergreift uns die E.S.A. [Ελληνική Στρατιωτική Αστυνομία, Griechische Militärpolizei], denkt sich die Beschuldigung aus, wir hätten linke Zeitungen gelesen. Sie prügeln uns heftig im Wachgebäude und werfen uns von dort in die Eisfabrik von Fix, die sie in Gefängnisse umgewandelt haben. Es ist nicht notwendig, dass ich euch mehr über diese Gefängnisse sage. Es reicht, wenn ihr euch vorstellt, dass dort in den furchtbar düsteren und entsetzlichen Räumen, wo sie das Eis hergestellt haben, nun Menschen sitzen. Sie halten uns dort bis zum 8. August fest. Sie sind gezwungen, meine Strafe in 40 Tage strenge Haft umzuwandeln, weil sie trotz der „französischen“ Untersuchung nichts herauskriegen, um uns einzuwickeln und uns zum Militärgericht zu schicken.
2. Sie schicken uns zur „Umerziehung“
Am 18. August versammeln sie uns zusammen mit anderen, die sie von den Bataillonen an vorderster Linie, 582 und 584, hergebracht haben und teilen uns mit, dass sie uns zur Umerziehung nach Athen schicken werden. Am nächsten Tag verladen sie uns in aller Frühe auf Fahrzeuge, 80 Soldaten auf 3 Fahrzeuge. Denen folgen weitere 3 mit Wachen. Jetzt verstehen wir sehr gut, zu welcher Art Umerziehung sie uns schicken. Sie bringen uns nach Préveza. Sie stecken uns ins Durchgangszentrum. Sie verbieten uns den Ausgang in die Stadt. Die Α.Μ. [Αστυνομία Μονάδας, Polizei der Militäreinheit] möchte unser Gepäck durchsuchen. Wir verweigern das. Es entsteht ein komplettes Durcheinander. Sie bringen uns auf das Schiff und am selben Nachmittag steigen wir in Patras aus. Auch dort verbieten sie uns auszugehen. Am nächsten Morgen stecken sie uns in den Zug, wir kommen in Piräus an. Die Autos warten schon. Sie befördern uns gleich hinein. Wir fragen, wo eigentlich dieses Erziehungszentrum ist. Sie sagen uns, außerhalb der Stadt. Wir verstehen natürlich. Um 1 Uhr nach Mitternacht kommen wir in Lavrio an. In Lavrio lassen sie die Ausreden sein und beginnen die Grobheiten und Gewalttätigkeiten. Wir protestieren, weil sie uns zum Hafen hinausbringen, damit wir dort schlafen. Sie beschimpfen und schlagen uns. Am nächsten Tag in aller Frühe, damit uns keiner sieht, bringen sie uns zum Kaiki und laden uns auf Makrónisos aus. Hier ist das Umerziehungszentrum, sagen uns unsere Henker voller Hass und mit bissiger Ironie. Hier werden wir’s euch beibringen: „Entweder ihr nehmt Verstand an oder ihr werdet sterben. Eine andere Lösung gibt es nicht“.
3. In der Hölle der demokratischen Soldaten
Als wir uns mit dem Kaiki näherten und den kahlen Felsen erblickten, schnürte sich unser Herz zusammen, doch von dem Empfang, den sie uns bereiteten, sobald wir unseren Fuß an Land setzten, da verstanden wir durch die Stimmen, die Flüche und die bösen Blicke sehr gut, was uns erwartet. Was ist Makronísi? Bis zu der Stunde, als es der Monarchofaschismus und die amerikanischen Gangster es entdeckten, um es in einen Ort der Folterungen der demokratischen Soldaten zu verwandeln, wusste das niemand. Es ist eine Insel ohne Baum, ohne Wasser, ein kahler Fels mitten im Meer. Leben gab es auf diesem furchtbaren kahlen Felsen keines bis zu der Stunde, wo die Monarchofaschisten ihn bewohnbar machten, indem sie dorthin Tausende einberufene Demokraten, Kämpfer des nationalen Widerstands, hinbrachten. Von Mai 1947 an gewann die Insel Leben, oder besser, auf diesem freudlosen und leblosen Felsen begann sich das furchtbare Drama der demokratischen Soldaten zu entwickeln.
4. Hitlerische Folterungen
Alle Soldaten, die hierher kommen, werden auf die drei Bataillone verteilt. Das 1., das sich im Zentrum der Insel befindet und als Kommandant Kostantópoulos hat, das 2. im Nordteil der Insel mit dem Kommandanten Styliópoulos und das 3. im Südteil mit dem entsetzlichen blutdürstigen Henker Skaloúmpakas als Kommandant. Die Folterungen der Soldaten beginnen mit grauenerregender Planmäßigkeit vom ersten Tag an. Das 3. Bataillon an erster Stelle. Skaloúmpakas als Oberhenker, Mákis, Kalmákis, Delidános, Karaníkas, Kountoúpis und andere.
Quälend langsam vergeht die Zeit. Quälend bitter vergehen die Tage und qualvoll die Nächte für die Pioniere. Der Monarchofaschismus benutzt alle Mittel, bietet den gesamten teuflischen Erfindungsreichtum auf, findet die grauenerregendsten Folterungen, um die demokratischen
Soldaten zu beugen. Um sie dazu zu bringen, dass sie ihren Glauben verleugnen, dass sie seine Organe werden. Doch die Soldaten leisten Widerstand, sie beugen sich nicht.
5. Die Folter von Sisyphos
Sommer. Die glühende Sonne schmelzt das Eisen. Die staubtrockene Erde von Makronísi atmet schwer, als ob sie vollständig brennt. Nirgendwo Schatten, nirgendwo Wasser. Und ausgerechnet in der Mittagsstunde gehen Hunderte Soldaten zum Gipfel der Insel hinauf und schleppen auf ihrem Rücken einen riesigen Steinblock. Und hinter ihnen ihre Henker, die sie beschimpfen, sie prügeln. Total verschwitzt, total erschöpft kommen sie am Gipfel an. Sie haben das entsetzliche Golgotha bestiegen, sie setzen oder besser werfen sich auf den Boden um auszuruhen. Doch ihre Henker verabreichen ihnen Fußtritte. Vorwärts Marsch! Steht auf, Kommunisten, schändliche Bulgaren. Und sie steigen hinunter und sie steigen wieder hinauf. Und ihr entsetzliches Martyrium setzt sich tagelang, ganze Monate lang fort.
6. Ohne Wasser mit Hering und Kabeljau
In den ersten zehn Tagen im August 1947 brachten sie im 3. Bataillon eine Woche lang überhaupt kein Wasser. Sie rechtfertigten es damit, dass das Boot, mit dem sie Wasser von Lavrio transportieren, kaputt sei. Eine Woche lang verbrachten die Soldaten ohne Wasser. Im Monat August, mitten im fürchterlichen Glutofen, die Steinblöcke hinauf- und hinuntertransportierend. Und als ob das nicht gereicht hätte, kochten die Unmenschen von Skaloúmpakas, um das Martyrium der Verbannten noch schrecklicher, noch fürchterlicher zu machen, andauernd trockenen Kabeljau und als Ergänzung gaben sie dazu Hering. Der Durst durch die Sonne und die Erschöpfung, der Kabeljau machte dich wahnsinnig, dein Blick richtete sich auf das Meer, das sich ringsherum ausbreitete, und du sehntest dich danach, dich hinein zu stürzen, um dich zu erfrischen. Doch du wusstest, dass du einen jeglichen derartigen Versuch mit deinem Leben bezahlen würdest. Die faschistischen Henker hätten dich wie einen Hund getötet. Und während du dieses Martyrium durchmachtest, das dir nicht einmal in der Hölle Dantes begegnen würde, riefen dich deine Henker wie die Sirenen dazu auf, die Reue-Erklärung zu unterschreiben, „damit deine Qualen aufhören, damit du erlöst wirst“. Doch die Pioniere hielten stolz stand.
7. Qualvolle Nächte
Auf die schmerzhaften Tage von Makronísi folgten die albtraumhaften, die qualvollen Nächte. Sobald es Nacht wurde, begann das Herzklopfen. Wer ist heute Abend wohl an der Reihe? Es verging keine Nacht, ohne dass fürchterliches Stöhnen zu hören war, die herzzerreißenden Schmerzensschreie irgendeines Gefährten, deines Kampfgenossen, den sie unmenschlich folterten. Im August wurde der Professor und Philologe Katsarós furchtbar geprügelt. Sie prügelten ihn 5 ganze Stunden lang. Er wurde 7 Mal ohnmächtig. Doch von den Lippen dieses halbtoten Kämpfers war – wie seine Henker am nächsten Tag erzählten – leise aber deutlich und beständig das „NEIN“ zu hören, „ich unterschreibe nicht“.
Vorher hatten sie auf dieselbe unmenschliche Art Stamatópoulos aus Mytiléne geschlagen. Sie brachen ihm beim Prügeln die Hand und sagten zu ihm, „wir werden dir auch den Kopf einschlagen, Bulgare, wenn du auf deinen Ideen bestehst“. Später wurden viele geschlagen. Rafailídis Giórgis (Rechtsanwalt) aus Thessaloniki, Katránas aus Trikala und Hunderte andere Pioniere. So warteten wir jeden Abend mit Furcht im Herzen bis wir an der Reihe waren. Es war unmöglich, die Augen zu schließen. Aber es war auch unmöglich, in dem Moment zu schlafen, wo man die schmerzvollen Schreie derer hörte, die geschlagen wurden: „Meine Mutter, Hilfe, meine Brüder“ usw. Und gleichzeitig hörte man die grausamen Stimmen der Ungeheuer von Skaloúmpakas. „Bulgaren, Verbrecher, ihr werdet heute abend sterben ...“. Und wenn die Stimmen aufhörten, hörte man das Schmerzensgestöhne der Verprügelten, die sie wegbrachten, und es brach dir dein Herz. Und das war nicht nur ein Abend, es waren ganze Wochen und Monate.
8. Dann kam die Reihe an mich
Am 3. Oktober kam auch ich an die Reihe. Nun begann auch mein eigenes Martyrium. Drei, vier zusammen prügelten mich von 8 Uhr abends bis um 12 Uhr Mitternacht. 5 Mal wurde ich ohnmächtig. Dann ließen sie von mir ab. Doch meine Qualen waren nicht zu Ende. Genau so grausam wurde ich am 9. November geschlagen. Ich hielt es aus. Sie ließen von mir ab. Doch wieder gaben die Henker nicht auf. Sie ergriffen mich am 15. Dezember wieder. Sie prügelten mich buchstäblich nieder. Auch dieses Mal hielt ich es aus.
Danach steckten sie alle, die sich nicht beugten – und das waren die meisten – auf Befehl von V. II am 27. Dezember ins 1. Bataillon. Von uns behielt Skaloúmpakas nur zwei. Portokális, Rechtsanwalt und Moutsokákis, Arzt. Wie wir später erfuhren, unterzogen sie sie fürchterlichen Folterungen, damit sie unterschreiben. Portokális wurde nach dem Durchprügeln 5 ganze Stunden mit dem Kopf nach unten aufgehängt. Und unter seinem Kopf, auf dem Tisch, lag die Reue-Erklärung bereit. Wenn jemand während des Durchprügelns starb, warfen sie ihn ins Meer oder hingen ihn am Hals auf und sagten, er habe Selbstmord begangen. Das stellten wir bei einem Slawomakedonen fest, der mit einem Kabel um den Hals aufgehängt neben dem Wärter gefunden wurde. Sie sagten natürlich, er habe sich selbst umgebracht. Doch wie war es möglich, sich neben dem Wärter selbst umzubringen, ohne dass er das bemerkt? Es ist offensichtlich, dass sie ihn erwürgt haben. Leider erinnere ich mich nicht mehr an seinen Namen. Aber ist er denn der einzige? …
9. Nationale Taufbecken und Läuterung
Doch hier hörte der Leidenskatalog der Makronisioten nicht auf. Um geläutert zu werden, mussten sie durch das nationale Taufbecken durchgehen. Galgen, Prügel, Transport des Steinblocks in der Gluthitze im August, Durst, Schlafmangel, Hunger waren nicht genug. Es folgten noch andere entsetzlichere Folterungen. Sie steckten Exkremente in den Mund der Soldaten, hingen sie mit dem Kopf ins Loch der Toilette und das allerschrecklichste, was den Verstand des Menschen einfrieren lässt, war das stundenlange Aufhängen der Unbeugsamen in einem Sack von einem Felsblock über dem Meer und das sich ständig wiederholende Eintauchen ins Wasser.
Das sind die nationalen Teiche von Makrónisos. Und diese Art Läuterung begingen sie an den demokratischen Soldaten. So hingen sie Katsarós, Rafailídis und viele andere auf.
10. Die dramatischen Ereignisse des 29. Februar
Im 1. Bataillon versammelten sie 5.000, im 2. 7.000, im 3. 4.000. Es gab noch ungefähr 600 Offiziere im Vorführungszentrum der Offiziere und ungefähr 1.800 in den Gefängnissen. Im 1. Bataillon hatten wir mit unseren gemeinsamen Kämpfen den Terror bis zu einem gewissen Grad gebrochen. Doch das gefiel den Faschisten überhaupt nicht. Deshalb entschlossen sie sich zu einem Blutvergießen im 1. Bataillon. Dies erfolgte am 29. Februar 1948. Anfang Februar ersetzen sie den Kommandanten des 1. Bataillons Kostantópoulos, weil sie ihn anscheinend nicht für geeignet hielten, die verbrecherische Provokation zu arrangieren, die sie vorbereiteten. Sie holen Karampétsios, doch auch dieser war ihnen nicht recht und sie verjagten ihn nach 10 Tagen. Schließlich holen sie Vasilópoulos, Infanteriehauptmann, ein furchtbares Faschistenschwein. Vorher war er Kommandant der Gefängnisse. Jetzt setzen sie ihn als Kommandant des 1. Bataillons ein. Anfangs drohen sie uns an, sie würden uns ins 3. Bataillon schicken. Die Drohungen und Beschimpfungen gehen fast den ganzen Monat. Eines Tages verkünden sie uns, die Kataloge seien zusammengestellt, um uns ins 3. Bataillon schicken. Jeder von uns fasst den Entschluss, lieber zu sterben als dorthin zu gehen. Der tragische 29. Februar bricht an. Sie stellen uns der Reihe nach auf und führen uns alle in Dreierreihen zum Theater, also eine kleine Schlucht, die sie als Theater der Infanteristen der Wache verwendeten. Fast die Hälfte war versammelt, als die Spitzel der Militärpolizei mit den Provokationen anfingen. Sie beschimpften demokratische Soldaten, ohrfeigten, schlugen, begannen Soldaten zu verhaften und sie in die Arrestzellen zu bringen. Die Soldaten protestieren, sie rufen Schande, Schande. Die Militärpolizisten verlieren keine Zeit, sie schießen mit ihren Maschinengewehren auf die Masse der Soldaten. Es entsteht ein fürchterliches Chaos, alle fliehen vom Theater und kommen vor zum Bataillon. Dort kommen die ersten Informationen an und werden wie der Blitz von Mund zu Mund weitergegeben: 9 Tote und 6 Verwundete. Die Vernunft der demokratischen Soldaten rebelliert. Sie rufen: „Ihr seid Mörder, Verbrecher“. Die Militärpolizisten versuchen uns auseinanderzutreiben. Wir bleiben fest. Wir behalten die Toten und Verwundeten nun in unseren Händen. Wir fordern, dass eine Regierungskommission kommt, wir fordern, dass ausländische Journalisten kommen, dass der gestörte Oberleutnant Kardarás verschwindet – gerade erst war er aus dem Irrenhaus freigekommen. Dass unsere Fahne auf Halbmast gesetzt wird. Wir erklären, dass wir in Hungerstreik treten, bis das alles passiert ist. Vasilópoulos kommt und spricht. Er verspricht, dass sie dem Generalstab Bericht erstatten werden. Was die Fahne betrifft, lehnt er es ab, sie auf Halbmast zu setzen.
11. Der Erzfaschist Mpairaktáris vollendet das Blutvergießen
Am Morgen des nächsten Tages kommt der Gesamtlagerkommandant Mpairaktáris mit dem Zerstörer an. Er geht nicht an Land. Er spricht vom Schiff aus zu den Soldaten. „Ich rufe euch auf, dass ihr zur Vernunft kommt, dass ihr den Aufruhr beendet“. So bezeichnet er die Ereignisse. „Hört nicht auf die Verkündungen des Kommunismus und der Slawen usw.“ Die Antwort, die er aus dem Mund Tausender bekommt, ist: „Du bist verantwortlich für die Ereignisse. Du bist ein Verbrecher“. Kurz danach umzingeln sie uns ringsherum. Zur Verstärkung kam die Wache des 2. Bataillons und des 3. Bataillons mit dem Chef Skaloúmpakas selbst, dem Oberleutnant Mparoúchos, dem Leutnant Sfakianós. Sie schießen mit den Maschinengewehren, mit allen Waffen. Sie schießen mit dem Ziel zu töten. Sie schießen unaufhörlich von 10 Uhr morgens bis 5 Uhr nachmittags. Die Menge der Soldaten leistet heldenhaft Widerstand. Sie kämpft übermenschlich mit Steinen, mit Fäusten, mit nacktem Oberkörper. Die Orte, wo das Blutvergießen erfolgte, füllten sich mit Toten und Verletzten. Mehr als 350 Tote und 150 Verletzte. Der Widerstand lässt nach, nimmt ab. Das, was folgte, ist unmöglich zu beschreiben. Die Faschisten waren außer sich, sie stürzten sich mit unvorstellbarer Wut auf die Soldaten. Das Leben wurde dreifach schlimmer, die reine Hölle. Sie klagten als Verantwortliche „für den Aufruhr“, den sie selbst organisiert hatten, 180 Makronisioten an, schickten sie vor das Militärgericht, und viele von diesen wurden zu harten Strafen verurteilt. Unter diesen ist Katsarós Parísis, Professor, Rafailídis Giórgis, Rechtsanwalt, Stamatópoulos und andere, sie wurden zum Tod verurteilt.
12. Vom Leben der demokratischen Offiziere - „Zentrum disziplinierten Lebens“
Dasselbe und Schlimmeres erleiden die demokratischen Offiziere. Sie prügeln sie, sie demütigen sie, damit sie die Reue-Erklärung unterschreiben. Alle, die sich weigerten, wurden militärisch degradiert. Sie brachten sie ins 1. Bataillon. Sie steckten sie zusammen mit den unbeugsamen Soldaten hinter die Drahtzäune.
In den Gefängnissen von Makronísi, rings umgeben von Drahtzäunen, befinden sich als Führer des nationalen Widerstands die Generale Saráfis, Mántakas und viele andere höhere und niedrigere Offiziere der ELAS. Sie trennten also einen Teil der Gefängnisse ab und nannten ihn „Zentrum disziplinierten Lebens“ und hier sperrten sie die geachteten Führer des Widerstands ein und dort verbringen die demokratischen Offiziere bittere Tage.
13. „Rat der Gleichmachung“ und IETAX
Doch auch für jene Offiziere und Soldaten, die sich den Folterungen beugen und die Reue-Erklärung unterschreiben, hören die Qualen nicht auf, sie lassen sie nicht frei. Auf der Skala der Folterungen der Inquisition von Makronísi gibt es auch für diese Prüfungen. Da ist zuallererst der „Rat der Gleichmachung“. An ihm kommen alle vorbei, die eine Reue-Erklärung abgegeben haben. Ihre Henker stellen ihnen Fragen. Und nur wenn sie antworten, wie diese es wollen, werden sie gleichgemacht, wechseln, wie sie sagen, in den „Nationalen Schützengraben“. Das heißt, sie bereiten sie für die Bataillone der Makronisioten vor, wohin sie sie mit Gewalt oder dem IETAX schicken. Ansonsten, wenn sie nicht „richtig“ antworten, dann werden die Folterungen fortgesetzt. Doch was ist das IETAX? Heiliges Bataillon der Offiziere nennen es hochtrabend die Faschisten. Von Makrónisos haben sie neulich ein Bataillon aufgestellt von freiwilligen Offizieren, die kämpfen würden wie Krieger. Doch hört, welche Art von Freiwilligen das sind: Als Oberleutnant Sapógias gefragt wurde, ob er in das IETAX eintreten wolle, antwortete er vor allen und dem Henker Vasilópoulos: „Ich habe keine Lust, an dem brudermörderischen Krieg teilzunehmen und mich für fremde Interessen töten zu lassen“. Er wurde sofort eingesperrt und danach mit Gewalt zur IETAX geführt. Auf dieselbe Art wurde auch Leutnant Mitsákis „freiwillig“ in die IETAX aufgenommen. Auf dieselbe Art auch die anderen Offiziere der IETAX, die mit ihrem Anführer, dem Lagerkommandanten und Henker Oberst Daoúlis, losgeschickt wurden, um die DSE [Δημοκρατικός Στρατός Ελλάδας, Demokratische Armee Griechenlands] zu bekämpfen.
14. Alles drittklassig - Betrüger, Diebe
Die Verpflegung, Kleidung, Fußbekleidung usw., die den Makronisioten zugeteilt wird, ist alles drittklassig, so sagen es die Faschisten. Die Verpflegung besteht meistens aus verdorbenen Kartoffeln, Spinat, Konserven, gemahlenen Bohnen, zerteilten Kichererbsen und natürlich Fett. Oftmals blieben sie 2 oder 3 Tage hungrig und ohne Wasser „wegen Wellengangs“. Fleisch aßen wir jedes Mal an Ostern. Dort drüben wütet der Diebstahl. Der Kommandant der 1. Kompanie des 1. Bataillons Mpéskos behält von jedem Soldaten am Tag ... [an dieser Stelle ist im griechischen maschinenschriftlichen Text eine Lücke]. So sammelt er Hunderte Zigaretten zusammen. Wenn wir wegen Mangels an Nahrung oder Wasser nicht kochten, dann gingen die später gelieferten Lebensmittel, wenn sie eintrafen, an den Hauptmann. So behielt er vom 16. - 18. Februar 1948 alle Lebensmittel und den Zucker. Bei dem Protest, den wir beim damaligen Bataillonskommandanten Karampékios vorbrachten, antwortete er uns, dass der Hauptmann sie in seinem Zelt aufbewahre, damit sie nicht verschwinden. Ebenso drittklassig sind unsere Schuhe und Kleider, alt und zerrissen. Vorher von anderen Soldaten getragen. Derselbe Hauptmann gebraucht auch andere Raubmethoden. Jedes Mal, wenn ein Scheck für einen Soldaten kommt, behält er 10% für Schreibmaterial. Wenn ein Soldat unbedingt Urlaub nötig hat, muss er gut gefüllte Taschen haben, um ihn zu bekommen. Oikonómos aus Díkorfo Zagoríou zahlte, um Urlaub zu bekommen, an Hauptmann Chatzimichális 3000000 Tausend Drachmen. Auch der Urlaub von Iavréllis Kóstas kostete eine Goldmünze. Wenn du nicht viel Geld hattest, bekamst du auf keinen Fall Urlaub. Sie wendeten auch andere Betrügereien an, sie hatten Militärkantinen, wo sie die Waren zu überhöhten Preisen verkauften, und die Gewinne steckten die Mächtigen ein.
15. Büros für „moralische Erziehung“
In jeder Kompanie richteten sie Büros zur Aufklärung oder Büros für moralische Erziehung oder besser Büros für moralische Perversion ein. Diese Büros organisieren zweimal täglich Vorträge mit faschistischem Inhalt. Am Morgen erfolgte das nach Kompanie, am Nachmittag nach Bataillon. An die Plätze, wo die moralische Erziehung stattfinden sollte, führten sie die Soldaten mit Gewalt in Zweierkolonnen. Wer versuchte, sich im Feldlager zu verstecken, um der moralischen Erziehung zu entgehen, bekam, wenn er entdeckt wurde, beim ersten Mal eine Woche Disziplinarhaft und eine Stunde lang jeden Abend Prügel. Wenn sie ihn zum zweiten Mal erwischten, dann bekam er zwei Wochen Disziplinarhaft und zwei Stunden Prügel jeden Abend. Oftmals kamen Zivilisten und hielten bestimmte Vorträge, wie der Rektor der Universität, Abgeordnete, bestimmte Studenten, Faschisten, Journalisten usw. Sie versuchten sogar, die demokratischen Soldaten zu zwingen, Vorträge zu halten. Die Leitung selbst ordnete das an und sie versammelten alle Gebildeten. Sie schlugen sie, sie folterten sie, doch bis zu der Zeit, wo ich fortging, hielt keiner einen Vortrag.
16. Loblieder auf die amerikanische Besatzung – Gift gegenüber der UdSSR
Alle Reden waren ähnlich. Sie sangen Loblieder auf Amerika und spuckten Gift gegenüber der Sowjetunion und endeten damit, dass „mit der großzügigen Verstärkung Amerikas das von Slawen betriebene Bandenwesen hinausgeworfen werde“. In ihren „Vorlesungen“ sagten sie auch, dass das sowjetische Volk ungebildet und unzivilisiert ist. Und sie brachten auch „Beweise“.
Als die Russen in Österreich vorrückten, führten sie wilde Plünderungen durch. Unter anderem Beutegut fand ein russischer Soldat einen Wecker. Der beeindruckte ihn und er nahm ihn mit. Unterwegs klingelte der Wecker, der Russe erschrickt. Er wirft ihn zu Boden und schießt mit der Pistole auf ihn. Solche und andere entsprechend lächerliche Märchen erzählten sie, um das sowjetische Volk zu verleumden, unterschätzten dabei aber die Intelligenz der demokratischen Soldaten. Wie sehr lagen sie doch daneben, wie sehr täuschten sie sich. Als die „Intellektuellen“ der düsteren Zeit ihre schändlichen Verleumdungen ausspuckten, war in den Gesichtern aller Soldaten ironisches Lächeln zu erkennen.
17. Lügen, Verleumdungen, Inszenierungen
Als der Kriegsminister mit den fremden Herren, den Amerikanern und Engländern, kam, versuchten sie, die Soldaten zu zwingen, für sie die Hände hochzuheben. Sie forderten die Spitzel der Wache auf zu jubeln und „Wir wollen Waffen“ zu rufen, und sagten, das fordern die demokratischen Soldaten, und sie machten Fotografien usw. Im 1. Bataillon, in dem ich diente, gelang es ihnen nie, die demokratischen Soldaten zu einem Empfang hinzuschaffen und sie zum Hurrarufen zu bringen, deshalb brachten sie die Kompanie der Leitung hin, wenn irgendwelche Offizielle kamen. Sie nahmen sie an den Händen, sie führten sie im Feldlager herum, ließen sie hochleben und riefen „Wir wollen Waffen“, „Waffen wollen wir“. Dann sagten ihre eigenen Leute zu ihnen „Ihr habt doch Waffen, was für andere Waffen wollt ihr noch? Könnt ihr nicht mit diesen in den Kampf ziehen?“
Viele Male drängten uns die Oberhenker des Bataillons, die Offiziere Kardarás, Salvarás und die Henker Rentéris, Mpinítos usw. – die nach den Ereignissen des 29. Februar Obergefreite genannt wurden – zusammen und versammelten uns vor den Offiziellen, damit wir sie hochleben ließen. Die Henker drehten Runden um die Masse mit den Knüppeln in der Hand, doch niemand hatte Lust zu Hurrarufen.
Im 1. Bataillon hatten sie auch eine Zeitung herausgebracht, die „Anamorfosi [Umerziehung]“, die sie uns unter Zwang verkauften, 500 Drachmen das Blatt. Ebenfalls unter Zwang verkauften sie den „Demokratischen Kampf“ von Mantoúvalos und einige andere Blätter „nationalen Inhalts“, wie die Gedichte von Mézer usw. Für alles das behielten sie 3.500 Drachmen von den 9.000 ein, die sie uns im Monat gaben, während sie den anderen Soldaten 60.000 Drachmen gaben.
Jetzt neulich brachten sie ein Radio mit drei Lautsprechern. Zu bestimmten Stunden machten sie einige Scherze – als Fallen – um die Soldaten zu versammeln. Kaum sahen uns die Faschisten also, begannen sie den militärischen Unterricht. Dann lösten wir uns nach und nach auf und ließen sie stehen.
18. Namen der Oberhenker
Wer waren diese entsetzlichen hitlerischen Henker, diese Ungeheuer, die die Hölle ausspuckte? Diese, die buchstäblich wüteten, diese, die an Grausamkeit und Unmenschlichkeit die Henker von Dachau übertrafen? Als erster ist da Mpairaktáris Giórgis, Leiter des Büros ΒII des Kriegsministeriums und Generallagerkommandant von Makronísi.
Im 1. Bataillon Vasilópoulos Antónis, Major vom Peloponnes, Stellvertretender Leiter Salonítis Dionýsis aus Aitolikó, Kardarás (Leutnant) vom Peloponnes. Kommandant des 2. Bataillons Mperís aus Mytilíni, Oberleutnant Mpétsios, er wohnt in Podarádes in Athen, Sialvarás, Oberleutnant, Chatzimichális (Oberleutnant) aus Pátras, er wohnt in Athen. Reniéris, Obergefreiter aus Mándra, Attika. Manólis und Kanelópoulos Giórgis aus Elefsína. Mpenítos aus Makedonien.
Im 3. Bataillon Oberhenker Mákis Lóngas aus Athen. Dalidánis Konstantínos von Saloníki. Papadópoulos aus Delvináki Pogonioú, Karaníkas aus Kerásovo Karpenisioú. Kounoúpis, Makedonier.
Ebenfalls zum 3. Bataillon kam später der entsetzliche Tyrann Skaloúmpakas Konstantínos, Peloponnesier. Sfakianós aus Euböa, Mparoúchis, der in Athen wohnt, Jiakoumákis aus Aígio usw.
Leider erinnere ich mich nur an diese von den Unmenschen und Henkern von Makronísi. Eine charakteristische Tatsache, wie kraftmeierisch diese Pseudohelden waren, ist folgendes: Einmal wurde auf Makronísi verbreitet, alle Offiziere würden ausgewechselt und in den Kampf geschickt. Alle empörten sich und erstarrten buchstäblich. Bis zum Strátos [Kriegsminister Geórgios Strátos] gingen sie, zeigten ihre Bescheinigungen der Metzeleien und des Bluts und schafften es zurückzukommen, um das blutige Gemetzel fortzusetzen. Diese Ungeheuer in Menschengestalt und ihre Herren, die hasse ich mit der ganzen Kraft meiner Seele.
19. Aufruf an alle Makronisioten
Ich rufe alle Makronisioten, alle Demokraten und Kämpfer des nationalen Widerstands, diejenigen, die auf Makrónisos gelitten haben. Diejenigen, die den Hunger durchgemacht haben, den fürchterlichen Durst, diejenigen, die in der Sonnenglut im August den fürchterlichen Steinblock geschleppt haben. Diejenigen, die kopfüber aufgehängt wurden, die im Sack aufgehängt wurden. Diejenigen, die unzählige Erniedrigungen und Demütigungen erlitten haben, diejenigen, die gesehen haben, wie am 29. Februar 1948 ihre Brüder, ihre Freunde, ihre Mitkämpfer abgeschlachtet wurden und deren Herz mit furchtbarem Hass gegenüber den Henkern von Mpairaktáris, gegenüber den einheimischen und fremden Faschisten überschwemmt wurde. Ich rufe sie auf, zur DSE zu kommen – alle, die sie aus den Bataillonen und dem IETAX gehen ließen – damit sie mit Wut gegen den bestialischen Faschismus der Tsaldarosofouliden [Konstantínos Tsaldáris und Themistoklís Sofoúlis waren in den Nachkriegsjahren jeweils Ministerpräsident von Griechenland] und der Verbrecher kämpfen. Damit sie mit Leidenschaft in den Reihen der DSE kämpfen, damit sich die Ausländer wegscheren und unser Vaterland befreit wird, damit die Gefängnisse und die Verbannungen und die fürchterlichen Zwangsarbeitslager von Makronísi ein Ende haben.
Diese Läuterung, Brüder, habe ich auf Makrónisos gelernt. Ich habe gespürt, wie bodenlos mein Hass gegenüber den Henkern und den Henkern meines Volkes entflammt ist. Ich habe gespürt, wie unendlich meine Liebe für das Volk und für das Vaterland entflammt ist. Und ich gebe jetzt alle meine Kräfte für den großen Kampf um die Freiheit und die Volksdemokratie, für die Rettung des Volks und seiner Kämpfer vor der fürchterlichen Klinge der amerikanischen Räuber und der griechischen Janitscharen, der Mpairaktáriden.
Zu diesem Kampf rufe ich alle meine Brüder, die gepeinigten Makronisioten, auf.
G. Tzókas
P.S. Der Kämpfer G. Tzókas erschien bei der DSE, sobald er Gelegenheit dazu hatte, sobald er die erste Andartengruppe traf, als er nach dem Ende seines Militärdienstes von Makronísi entlassen wurde. Im November 1948 trat er in die 8. Division ein. Er nahm an der Schlacht von Ai Giórgi Dykórrachis am 1. 1. 49 teil. Er wurde verwundet und wird jetzt im Sanatorium unserer Division ärztlich behandelt.
Januar 1949
Aus dem Griechischen übersetzt von Markus List
Literaturhinweis:
Λαμπρινός, Γιώργος: Μακρονήσι = Makrónisos / Giorgos Lamprinós. - Hamburg : Edition Kentavros, 2021. - 56 Seiten : 4 Illustrationen
ISBN 978-3-9818287-9-5 : EUR 10.80 (DE)
Wer sich ausführlicher über Makronísi informieren möchte, sei auf die Webseite des „Digitalen Museums Makrónisos“ hingewiesen.
Unter https://www.makronissos.org/ gibt es dort zahlreiche Informationen in griechischer Sprache, unter https://www.makronissos.org/en/ in englischer Sprache.