In unserem Garten wächst keine andere Pflanze üppiger und ausladender als der Rosmarin. Nach allen Seiten dehnt er sich wie selbstverständlich aus, mehr breit als hoch. Nichts hält ihn auf, weder Lorbeerbaum noch Eberraute, weder Hundehütte noch Sitzmäuerchen. Und je häufiger ich von ihm pflücke, desto wilder und ungestümer treibt er nach. Mit seiner unglaublichen Kraft und Regenerationsfähigkeit stellt er sich mir immer wieder aufs Neue als ein Kind des Südens und der wärmenden Sonne vor. Entspross er doch durch die Macht und die Liebe des Sonnengottes Helios einem Fels, der zum Grabe seiner Geliebten wurde, wie es ein griechischer Mythos zu erzählen weiß.
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Die Griechen haben ihm den klangvollen Namen “Dendrolivanon“ (Dendrolivano) gegeben - wörtlich: “Weihrauchbaum“. Auch die Bezeichnung “Livanotis“ (Livanotis) findet man hin und wieder, heißt doch “livaniso“ - “ich räuchere“ und “Livani“ - der Weihrauch. Die Erklärung liegt nahe: Rosmarin durfte in der Antike anstelle des teuren und schwer zu bekommenden Weihrauchs verwendet werden. Mit Rosmarin wurden die Altäre geschmückt. Mit Rosmarin wurde geräuchert. Mit Rosmarin konnte man den Göttinnen und Göttern huldigen, ohne sie zu beleidigen. Kein Wunder!
Nur ein paar seiner nadelförmigen Blätter zwischen den Fingerspitzen frisch zerrieben, und der aufsteigende Duft macht alles verständlich! Einfach himmlisch! Rosmarin ist mehr als ein aromatisches Küchengewürz, auch wenn er vor allem zur Haltbarmachung von Speisen seit ewigen Zeiten benutzt wurde.
Eine eben solch lange Tradition hat er als Heilpflanze. Noch bevor Dioskurides, der bekannte griechische Arzt, der im 1. Jh. n. Chr. lebte, ausführlich in seiner “Arzneimittellehre“ sein empirisches Wissen niederschrieb, wusste man um die Heilkraft dieses Krautes. Nur ein paar Beispiele seien erwähnt aus seinem vielfältigen Wirkungsspektrum:
Rosmarin wirkt erwärmend, stärkend und belebend, ob in Wein getrunken oder als Waschung. Er kann so manche neue Kraft, vielleicht auch Jugendlichkeit und Schönheit wecken und zur Liebe anregen. Nicht ohne Grund war er der Göttin Aphrodite geweiht und gilt immer noch als ein Symbol für Schönheit, Jugend und Lebenskraft.
Auch die geistigen Fähigkeiten kann er steigern, wobei dann eher ein Tee als ein Rosmarinwein zu empfehlen ist, um Gedächtnisleistungen, wie Konzentration und Erinnerungsvermögen, zu stärken. Oder man macht es den Studierenden zu Hippokrates` Zeiten nach und bindet sich ganze Rosmarinkränze ums Haupt…
Mit den Römern kam dann der Rosmarin vermutlich schon im 1. Jh. n. Chr. nach Mitteleuropa. Ganz sicher allerdings fand er zusammen mit anderen “Südländern“ wie z.B. Salbei und Thymian durch die Benediktinermönche im 8. Jh. seinen Eingang in die Klostergärten.
Fasziniert von der “göttlichen Kraft“ dieser großartigen Pflanze ließ auch Karl der Große den Rosmarin auf seinen Landgütern anbauen. Obwohl als Gewürz- und Heilpflanze vom Volke angenommen, behielt er doch seinen römischen Namen. Seither ranken sich auch in seiner neuen Heimat viele Bräuche, Mythen und Geschichten um ihn, verbunden mit Liebe und Fruchtbarkeit, mit Tod und Geburt, also immer um die großen Themen unseres Daseins.
Der Rosmarin, einst ein Geschenk der Göttinnen und Götter, wurde im Zuge der Christianisierung als heilige und heilende Pflanze übernommen. In Hellas ist er deshalb an fast jedem Kirchlein zu finden.
Und so ist er, in unseren Garten gepflanzt, sogar im ausklingenden Winter eine Bienen- und eine Augenweide. Denn selbst im kühlen Licht des Februars strahlen seine blassblauen Blüten, der Sonne und dem Himmel voll hingegeben.